Немецкий перевод Г. Рааба
Источник: Das Lied von der Heerfahrt Igors, des Sohnes Swjatoslaws, des Enkels Olegs / Herausgegeben und ubersetzt von H. Raab. Leipzig, 1965.
- 1. Wäre es nicht besser, Brüder, auf alte Weise die kummervolle Erzählung zu beginnen über die Heerfahrt Igors, des Igor Swjatoslawitsch?
- 2. Doch nein, möge dieses Lied anheben, den Begebenheiten unserer Zeit folgend und nicht der Erfindung Bojans.
- 3. Denn der weise Bojan, wollte er auf jemand ein Preislied singen, dann schweifte er in Gedanken durch die Baumwipfel, dann strich er einem grauen Wolf gleich über die Erde, dann schwebte er wie ein silberblauer Adler unter den Wolken dahin.
- 4. Er erinnerte sich, so sagte er, der allerersten Zeiten der Fehden; so ließ er denn zehn Falken los auf eine Schar von Schwänen, und jener Schwan, den zuerst ein Falke ereilte, stimmte ein Preislied an auf den alten Jaroslaw, auf den kühnen Mstislaw, der Rededja erstach vor den kassogischen Heerscharen, und auf Roman, den schönen Swjatoslawitsch.
- 5. Bojan jedoch, Brüder, ließ nicht zehn Falken los auf eine Schar von Schwänen, sondern griff mit seinen kundigen Fingern in die lebendigen Saiten; sie selbst aber waren es, die zum Ruhme der Fürsten erschallten.
- 6. Laßt uns, Brüder, diese Erzählung führen vom alten Wladimir an bis hin zum heute lebenden Igor, der den Verstand umgürtete mit seiner Kraft und sein Herz mit Tapferkeit schärfte
- 7. und der, erfüllt von Kampfeslust, seine mutigen Heerscharen gegen das Polowzerland zum Streit führte für das Russische Land.
- 8. Da schaute Igor auf zur hellen Sonne und sah seine Krieger von ihr mit Finsternis bedeckt,
- 9. und es sprach Igor zu seinem Gefolge:
- 10. »Brüder und Mannen! Besser ist es, erschlagen zu werden denn gefangen;
- 11. laßt uns also die schnellen Rosse besteigen, Brüder, auf daß wir den blauen Don erblicken.«
- 12. In Kampfeslust entbrannte des Fürsten Sinn, und das Verlangen, den großen Don zu versuchen, verhüllte ihm das Vorzeichen.
- 13. »Ich will«, so sagte er, »den Speer am Rand der Polowzersteppe brechen, mit euch, ihr Russen, will ich meinen Kopf hinlegen oder aber mit dem Helm aus dem Don trinken.«
- 14. O Bojan, du Nachtigall der alten Zeit! So hättest du diese Heerfahrt besungen, hüpfend, Nachtigall, im Geäst der Gedanken, im Geist unter den Wolken dahinfliegend, beide Enden des Ruhms dieser Zeit zusammenfügend, auf der Fährte Trojans durch die Felder jagend hin auf die Höhn.
- 15. Für dessen Enkel würde es sich ziemen, ein Preislied auf Igor so zu beginnen:
- 16. »Nicht der Sturm trieb die Falken auf die weite Steppe – Dohlen ziehen in Schwärmen hin zum großen Don«;
- 17. oder aber, weiser Bojan, Enkel des Weles, du hättest so angestimmt:
- 18. »Die Rosse wiehern jenseits der Sula – es erklingt der Ruhm in Kiew; die Hörner erschallen in Nowgorod – es stehen die Banner in Putiwl.«Igor harrt seines lieben Bruders Wsewolod.
- 19. Und es sprach zu ihm Wsewolod, der Wilde Ur:
- 20. »Einziger Bruder mein, einziges helles Licht – Igor du! Beide sind wir Söhne des Swjatoslaw;
- 21. sattle, Bruder, deine schnellen Rosse,
- 22. die meinen stehen schon bereit, zuvor bei Kursk gesattelt;
- 23. meine Kursker aber sind erfahrene Krieger: unter Hörnerklang geboren, unter Helmen gehegt, mit der Spitze des Speeres genährt;
- 24. die Wege sind ihnen bekannt, die Schluchten vertraut, ihre Bogen sind gespannt, ihre Köcher weit offen, ihre Säbel geschärft;
- 25. selbst jagen sie wie graue Wölfe über das Feld, sich Ehre suchend und dem Fürsten Ruhm.«
- 26. Und so stieg Fürst Igor in den goldenen Steigbügel und ritt hinaus aufs freie Feld.
- 27. Die Sonne versperrte ihm mit Finsternis den Weg;
- 28. die Nacht, gewitterschwer stöhnend, schreckte die Vögel auf;
- 29. Tierlaute wurden wach, es erhob sich der Diw, schrie in den Wipfeln, hieß feindliches Land aufhorchen, die Gestade der Wolga, die Schwarzmeerküste, das Land an der Sula, Surosh und Korsun und dich, Götzenbild von Tmutorokan.
- 30. Und die Polowzer eilten auf nicht bereiteten Wegen dem großen Don entgegen; es kreischten ihre Wagen um Mitternacht wie aufgescheuchte Schwäne. Igor führt seine Krieger hin zum Don!
- 31. Schon lauern die Vögel im Eichenwald seinem Unheil auf; die Wölfe beschwören heulend in den Schluchten das Ungewitter herauf; die Adler locken mit ihrem Schrei die Tiere zum Knochenmahl herbei; die Füchse bellen die rotfarbenen Schilde an.
- 32. O Russisches Land! Schon liegst du jenseits der Hügel!
- 33. Langsam nur weicht die Nacht,
- 34. auf flammte des Morgenrots Schein, Nebel bedeckte die Fluren,
- 35. der Nachtigallenschlag verstummte, das Schwatzen der Dohlen erwachte.
- 36. Die Russen versperrten die weite Steppe mit ihren rotfarbenen Schilden, sich Ehre suchend und dem Fürsten Ruhm.
- 37. Freitag früh am Morgen stampften sie die heidnischen Scharen der Polowzer nieder und rissen, sich pfeilschnell über das Feld ergießend, die schönen Polowzermädchen an sich und mit ihnen Goldgeschmeide, Seidengewebe und kostbaren Samt.
- 38. Mit Decken, Mänteln und Pelzen und allerlei Kostbarkeiten der Polowzer begannen sie Pfade zu bauen über Sümpfe und morastige Stellen.
- 39. Das purpurne Banner, die weiße Fahne, der rote Buntschuk, der silberne Schaft – sie alle wurden dem kühnen Swjatoslawitsch zuteil.
- 40. Es nächtigt Olegs tapfere Nestbrut in der Steppe, weithin hat sie der Plug verschlagen;
- 41. sie sind weder dem Falken noch dem Geier, noch dir, dem schwarzen Raben, du heidnischer Polowzer, zur Beute geboren.
- 42. Gsak trabt dahin, einem grauen Wolfe gleich, Kontschak weist ihm die Fährte zum großen Don.
- 43. Anderntags in aller Frühe verkündet blutiges Morgenrot den Sonnenaufgang;
- 44. schwarze Wolken ziehen vom Meer heran, sie wollen die vier Sonnen verdecken, und blaue Blitze zucken in ihnen.
- 45. Ein gewaltiges Unwetter naht, als Pfeilregen fegen die Schauer vom großen Don heran.
- 46. Hier werden Speere gebrochen, hier am Kajalafluß beim großen Don klirren Säbel an den Helmen der Polowzer.
- 47. O Russisches Land! Schon liegst du jenseits der Hügel!
- 48. Es treiben die Winde, die Enkel Stribogs, vom Meer her die Pfeile gegen die tapferen Heerscharen Igors!
- 49. Die Erde erdröhnt, trübe fließen die Ströme dahin, Staub bedeckt die Steppe;
- 50. die Banner künden: Die Polowzer nahen vom Don, sie nahen vom Meer
- 51. und von allen Seiten, die russischen Heerscharen umzingelnd.
- 52. Schreiend versperren die Söhne des Teufels das Schlachtfeld, und die tapferen Russen stellen sich ihnen mit ihren rotfarbenen Schilden entgegen.
- 53. Wilder Ur Wsewolod! Du stehst in vorderster Reihe, überschüttest die feindlichen Krieger mit Pfeilen, schlägst mit stählernen Schwertern auf ihre Helme.
- 54. Wohin der Ur auch immer, mit seinem goldenen Helm funkelnd, jagt, dort liegen die heidnischen Köpfe der Polowzer zuhauf;
- 55. zerschmettert sind die awarischen Helme von dir, Wilder Ur Wsewolod, mit stählernen Säbeln.
- 56. Was gelten Wunden dem, teure Brüder, der im Eifer des Kampfes Ehre und Gut als auch des Vaters goldenen Thron in der Stadt Tschernigow und seiner lieben Gattin, der schönen Glebowna, zärtliches Gebaren vergißt?
- 57. Vergangen sind die Zeiten Trojans, verflossen die Jahre Jaroslaws; vorbei sind die Feldzüge Olegs, des Oleg Swjatoslawitsch.
- 58. Jener Oleg aber schmiedete mit seinem Schwert Zwietracht und streute Pfeile über das Land.
- 59. In der Stadt Tmutorokan steigt er in den goldenen Steigbügel.
- 60. Diesen Klang hört der alte große Jaroslaw,
- 61. und Wladimir, der Sohn Wsewolods, hält sich allmorgendlich in Tschernigow die Ohren zu.
- 62. Die Ruhmsucht war es gewesen, die Boris Wjatscheslawitsch vor das Gericht des Höchsten brachte und ein grünes Leichentuch an der Kanina dem kühnen und jungen Fürsten ausbreitete, der Kränkung Olegs wegen.
- 63. Von jenem Kajalafluß her ließ Swjatopolk die Leiche seines Vaters zwischen zwei ungarischen Zeltern zur Heiligen-Sophien-Kathedrale nach Kiew bringen.
- 64. Damals, zur Zeit des Oleg Gorislawitsch, wurde Zwietracht gesät, und wuchs höher und höher; das Erbe der Enkel Dashdbogs wurde vertan; im Hader der Fürsten verkürzte sich das Leben der Menschen.
- 65. Damals hörte man im Russischen Land nur selten den Ruf der Pflüger, oft aber krächzten die Raben, die Leichen unter sich teilend, und die Dohlen ließen ihren Schrei ertönen, wenn sie sich zum Fräße sammelten.
- 66. Dies gab es zur Zeit jener Schlachten und Feldzüge, von solch einer Schlacht aber wie dieser hier hat man noch nicht gehört. Vom frühen Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zum Sonnenaufgang schwirren die gehärteten Pfeile, dröhnen die Säbel an den Helmen, krachen die stählernen Speerspitzen
- 67. auf fremdem Feld inmitten des Polowzerlandes. Die schwarze Erde unter den Hufen war mit Knochen besät und mit Blut getränkt, und die Saat ging als Kummer auf im Russischen Land.
- 68. Was lärmt, was schallt
- 69. von weit her früh vor Sonnenaufgang? Igor wendet seine Scharen: Er bangt um seinen lieben Bruder Wsewolod.
- 70. Die Schlacht währte einen Tag, sie währte einen zweiten, und am dritten Tag zu Mittag fielen die Banner Igors.
- 71. Da nahmen die Brüder Abschied am Ufer der schnellen Kajala.
- 72. Da reichte der blutige Wein nicht aus,
- 73. da beendeten die tapferen Russen das Gastmahl : Sie hatten die Brautwerber trunken gemacht, selbst aber fielen sie für das Russische Land.
- 74. Vor Kummer welkte das Gras dahin, und die Bäume neigten sich vor Gram zur Erde.
- 75. Brüder, eine traurige Zeit ist angebrochen, schon hat die öde Steppe die Leichen der Krieger bedeckt.
- 76. Schon hat unter den Heerscharen der Enkel Dashdbogs die Rechtlosigkeit ihr Haupt erhoben. Als Jungfrau hat sie das Land Trojans betreten, mit Schwanenflügeln am blauen Meer rauschend, wo der Don sich ergießt; plätschernd vertrieb sie die Jahre des Wohlstands. Es versiegte der Widerstand
- 77. der Fürsten gegen die Heiden, denn es sprach der Bruder zum Bruder: »Dieses ist mein, und mein ist auch das.« Und es begannen die Fürsten von Geringem zu sagen: »Das ist groß« und Ränke zu schmieden gegeneinander,
- 78. und die Heiden drangen von allen Seiten siegreich ins Russische Land ein.
- 79. Oh! Weit flog der Falke, Vögel jagend, hin zum Meer.
- 80. Igors tapfere Heerschar aber läßt sich nicht mehr zum Leben erwecken.
- 81. Ihr hallte der Ruf der Trauer nach, und Wehklagen durcheilte das Russische Land,
- 82. Feuer den Menschen spendend aus flammendem Hörn. Die russischen Frauen brachen in Tränen aus und klagten:
- 83. »Niemals wieder können wir unsere Geliebten mit Gedanken und Sinnen fassen, niemals mehr mit Augen schauen, und Gold und Silber wird weniger denn je in unseren Händen sein.«
- 84. Auf stöhnte, Brüder, Kiew vor Kummer und Tschernigow vor Unbillen,
- 85. Schmerz ergoß sich über die Russische Erde; Leid über Leid floß durch das Russische Land.
- 86. Und die Fürsten schmiedeten Ränke, einer gegen den andern,
- 87. die Heiden jedoch fielen siegreich ein in das Russische Land und holten als Zins ein Eichhörnchenfell von jedem Hof.
- 88. Die beiden tapferen Söhne Swjatoslaws, Igor und Wsewolod, weckten jenes Unrecht erneut, das ihr Vater, der furchterregende Großfürst von Kiew, Swjatoslaw,
- 89. mit starker Faust gebändigt hatte. Mit seinen mächtigen Heerscharen und stählernen Schwertern verbreitete er Schrecken um sich, er trat auf das Polowzerland, machte Hügel und Schluchten dem Erdboden gleich, wühlte Ströme und Seen auf, legte Flüsse und Sümpfe trocken. Und den heidnischen Kobjak riß er, einem Wirbelsturm gleich, von der Meeresbucht mitten aus den ehernen gewaltigen Heerscharen der Polowzer, und es fiel Kobjak in der Stadt Kiew nieder, im Mannensaal Swjatoslaws.
- 90. Hier preisen Deutsche und Venezianer, Griechen und Mährer Swjatoslaws Ruhm, sie tadeln den Fürsten Igor, der den Wohlstand auf dem Grund der Kajala, des Polowzerflusses, versenkt hat, russisches Gold aufschüttend.
- 91. Und so mußte Fürst Igor den goldenen Sattel verlassen und in den Sattel eines Knechtes steigen.
- 92. Es verstummten in Trauer die Wehrgänge der Städte, und die Fröhlichkeit neigte ihr Haupt.
- 93. Swjatoslaw aber hatte einen rätselhaften Traum
- 94. in Kiew auf den Höhen. »Diese Nacht, von Abend an, hüllte man mich«, so sagte er, »in eine schwarze Decke auf einem Lager aus Eibenholz,
- 95. man reichte mir bläulichen Wein mit Kummer vermischt,
- 96. schüttete mir aus den leeren Köchern der heidnischen Fremden große Perlen auf meine Brust
- 97. und liebkoste mich; schon sind die Dachlatten ohne Firstholz in meinem goldgedeckten Palast.
- 98. Die ganze Nacht, krächzten graue Krähen
- 99. bei Plessensk, vor der Stadtmauer tauchten Waldschlangen auf, und die Krähen zogen in Schwärmen zum blauen Meer.«
- 100. Und es antworteten die Bojaren dem Fürsten:
- 101. »Schon hat der Kummer, o Fürst, sich deines Sinnes bemächtigt;
- 102. denn zwei Falken sind herabgeflogen von des Vaters goldenem Thron, zu suchen die Stadt Tmutorokan oder aber zu trinken mit dem Helm aus dem Don. Schon hat man den Falken die Flügel gestutzt mit den Säbeln der Heiden, schon hat man sie selbst in eiserne Fesseln geschlagen.
- 103. Dunkel ward es am dritten Tag. Zwei Sonnen verblaßten, die beiden purpurnen Säulen erloschen, und mit ihnen hüllten sich die jungen Monde, Oleg und Swjatoslaw, in Finsternis, versanken im Meer, und große Verwegenheit erfaßte die Hunnen.
- 104. Am Kajalafluß bedeckte Finsternis das Licht;
- 105. die Polowzer breiteten sich über das Russische Land aus gleich einer Pantherbrut.
- 106. Schon fiel Schande auf den Ruhm,
- 107. schon schlug Nötigung auf die Freiheit ein,
- 108. schon stürzte sich der Diw auf die Erde.
- 109. Und da stimmten die schönen gotischen Jungfrauen am Gestade des blauen Meeres ein Loblied an, klirrend mit russischem Gold, preisen sie die Zeiten des Boos, Rache heischend für Scharuchan.
- 110. Doch wir, die Mannen, entbehren jeder Freude.«
- 111. Und es verkündete der große Swjatoslaw sein goldenes Wort, mit Tränen vermischt, und sprach:
- 112. »O meine Söhne, Igor und Wsewolod! Allzu früh seid ihr darangegangen, mit dem Schwert das Polowzerland zu bedrängen und euch Ruhm zu suchen. Aber nicht in Ehren habt ihr den Kampf bestanden, denn nicht in Ehren habt ihr heidnisches Blut vergossen.
- 113. Eure tapferen Herzen sind aus festem Stahl geschmiedet und in Verwegenheit gehärtet.
- 114. Was habt ihr meinem silbergrauen Haar angetan!
- 115. Ich sehe nicht mehr die Macht meines starken und an Gut und Kriegern reichen Bruders Jaroslaw, mit seinen Bojaren aus Tschernigow, mit seinen Wojewoden, Tatranen, Scheibiren, Toptschaken, Rewugen und Olberern. Denn diese besiegen Heerscharen ohne Schilde, mit Messern nur und Kriegsgeschrei, weithin kündend vom Ruhme der Ahnen.
- 116. Ihr aber sagtet: »Uns genügt der eigene Mut, vergangenen Ruhm wollen wir selbst erringen und künftigen uns teilen.
- 117. Ist es ein Wunder, Brüder, wenn ein Alter wieder jung wird?
- 118. Wenn ein Falke mausert, jagt er die Vögel hoch in den Lüften; keine Kränkung läßt er seinem Nest widerfahren.
- 119. Das Schlimme aber ist, daß die Fürsten mir nicht mehr zur Seite stehen:
- 120. In ihr Gegenteil haben sich die Zeiten verkehrt.
- 121. Da stöhnen die Bewohner Rimows unter den Säbelhieben der Polowzer und Wladimir unter den Wunden.
- 122. Trübsal und Trauer wurden dem Sohne Glebs zuteil!«
- 123. Großfürst Wsewolod! Kannst du nicht von fernher in Gedanken herbeifliegen, des Vaters goldenen Thron zu schützen?
- 124. Du vermagst das Flußbett der Wolga mit Ruderschlägen leer zu spritzen und den Don mit Helmen auszuschöpfen.
- 125. Wenn du hier wärst, dann würde eine Sklavin eine Nogata und ein Knecht eine Resana kosten.
- 126. Du vermagst auf trockenem Land mit lebenden Speeren zu werfen, mit den kühnen Söhnen des Gleb.
- 127. Du, verwegener Rjurik, und du, David! Sind nicht die Euren auf goldenen Helmen durch ein Meer von Blut geschwommen?
- 128. Brüllen nicht eure tapferen Mannen gleich Uren, getroffen auf feindlichem Feld von gehärteten Säbeln?
- 129. So steigt denn, ihr Gebieter, in den goldenen Steigbügel um der Rechtlosigkeit unserer Zeit willen, um des Russischen Landes willen, um der Niederlage Igors willen, des kühnen Swjatoslawitsch!
- 130. Jaroslaw Osmomysl aus Galitsch! Du sitzt hoch oben auf deinem goldgeschmiedeten Thron, stützt das ungarische Gebirge mit deinen ehernen Heerscharen, gebietest dem König selbst Einhalt, dein Tor gegen die Donau hin sichernd, schleuderst Lasten über die Wolken, hältst Gericht bis hin zur Donau.
- 131. Dein furchtgebietendes Wort durcheilt die Lande, auf dein Geheiß hin öffnete Kiew seine Tore, du richtest die Waffen von deines Vaters goldenem Thron auf Sultane in fernen Landen.
- 132. So richte denn die Waffen, Gebieter, auf Kontschak, den heidnischen Knecht, um des Russischen Landes willen, um der Niederlage Igors willen, des kühnen Swjatoslawitsch!
- 133. Und du, tapferer Roman, und du, Mstislaw! Ein mutiger Sinn drängt euch zur Tat.
- 134. Hoch gleitest du in Kühnheit der Tat entgegen, wie ein Falke in den Lüften schwebend, vom Wunsche getrieben, die Vögel in verwegener Jagd zu stellen.
- 135. Ihr tragt doch eiserne Brustpanzer unter den welschen Helmen. Von ihnen erbebte die Erde, und viele Völker – die Hunnen, die Litauer, die Jatwager, die Dernen und die Polowzer – warfen ihre Speere von sich und beugten ihr Haupt unter euren stählernen Schwertern.
- 136. Doch schon ist, o Fürst Igor, das Licht der Sonne verblaßt, und die Bäume haben unheilverkündend ihr Laub abgeworfen:
- 137. An der Ros und an der Sula wurden Städte als Beute verteilt. Und die tapfere Heerschar Igors, sie ist nicht wieder zum Leben zu erwecken.
- 138. Der Don ruft nach dir, Fürst, und lockt die Fürsten zum Sieg.
- 139. Die Enkel Olegs, die tapferen Fürsten, sie eilten zur Schlacht.
- 140. Ingwar und Wsewolod und alle drei Söhne Mstislaws, ihr sechsfach geflügelten Falken aus keinem schlechten Nest! Nicht durch Waffenglück habt ihr euch Besitztümer erworben!
- 141. Wo sind nun eure goldenen Helme und lechischen Spieße und Schilde?
- 142. Haltet unser Tor vor den Steppenvölkern mit euren scharfen Pfeilen verschlossen um des Russischen Landes willen, um der Niederlage Igors willen, des kühnen Swjatoslawitsch!
- 143. Schon strömt die Sula nicht mehr silberhell schäumend – ein Schutz für die Stadt Perejaslawl – einher, und die Dwina, sie sickert unter dem Kriegsgeschrei der Heiden einem sumpfigen Rinnsal gleich für die furchtgebietenden Bewohner von Polozk dahin.
- 144. Nur Isjaslaw noch, der Sohn Wassilkos, ließ seine scharfen Schwerter an den litauischen Helmen erklingen, er brachte dabei den Ruhm seines Ahnherrn Wseslaw zur Strecke und fiel selbst unter rotfarbenen Schilden auf blutgetränktem Gras, getroffen von litauischen Schwertern. Er fiel wie mit der Liebsten aufs Lager
- 145. und klagte:
- 146. »Deine Mannen, o Fürst, sie wurden von den Fittichen der Aasvögel bedeckt, und Raubtiere leckten ihr Blut.«
- 147. Es fehlte sein Bruder Brjatschislaw, und auch der andere Bruder, Wsewolod, war nicht zur Stelle: Einsam ließ er seine perlengleiche Seele aus dem kühnen Leib durch des Kragens goldverbrämten Saum entweichen.
- 148. Es verstummten die Stimmen, die Freude sank dahin, in Grodno erklangen die Hörner.
- 149. Jaroslaw und ihr Enkel alle des Wseslaw! Zeit ist es, eure Banner zu senken und eure schartigen Schwerter in die Scheide zu tun;
- 150. schon seid ihr des Ruhms der Ahnen verlustig gegangen.
- 151. Habt ihr doch begonnen, mit euren Fehden die Heiden ins Russische Land zu locken und in das Erbland Wseslaws.
- 152. Eurer Zwietracht wegen nahte Gewalt vom Polowzerland!Im siebenten Zeitalter des Trojan
- 153. warf Wseslaw das Los, um die ersehnte Jungfrau zu gewinnen.
- 154. Listig wie er war, baute er auf die Pferde, er eilte hin zur Stadt Kiew und rührte mit dem Schaft seines Speers an den goldenen Kiewer Thron.
- 155. Von da aus jagte er um Mitternacht, einem reißenden Tier gleich, aus Belgorod fort, umhüllt vom blauen Nebel;
- 156. dreimal versuchte er, das Glück an sich zu reißen: Er zwang Nowgorod, ihm seine Tore zu öffnen, er zerschlug den Ruhm Jaroslaws,
- 157. er jagte, einem Wolf gleich, von Dudutki her an die Nemiga. An der Nemiga breitet man Garben von Menschenköpfen aus, drischt man mit stählernen Flegeln, legt man Menschenleben auf die Tenne hin, worfelt die Seele aus dem Leib.
- 158. An der Nemiga wurden die blutigen Gestade nicht zum Guten besät, sie wurden besät mit den Gebeinen der russischen Söhne.
- 159. Wseslaw hielt als Fürst Gericht über Menschen, den Fürsten gab er Städte zum Lehen, selbst aber verließ er, trabend als Wolf, bei Nacht und Nebel Kiew, noch vor dem Hahnenschrei erreichte er Tmutorokan; als Wolf kreuzte er die Fährte des großen Chors.
- 160. In Polozk bei der Heiligen-Sophien-Kirche läutete man für ihn früh zur Morgenmesse die Glocken, er aber hörte ihren Klang in Kiew.
- 161. Wenn auch in seinem mutigen Körper eine zauberkundige Seele wohnte, so blieb er doch oft vom Unheil nicht verschont.
- 162. Auf ihn dichtete der weise Bojan, der Kluge, vorzeiten den Spruch:
- 163. »Weder ein Listiger noch ein Schlauer, noch ein Vogel, so gewandt er auch sei – keiner vermag dem Gericht Gottes zu entfliehn.«
- 164. Oh, wehklagen sollte das Russische Land, wenn es der frühen Zeiten und der ersten Fürsten gedenkt!
- 165. Jenen alten Wladimir konnte man nicht anschmieden an den Kiewer Bergen:
- 166. Seht, auch heute stehen Rjuriks Banner und andere, die David gehören; nach verschiedenen Seiten aber flattern ihre Feldzeichen;
- 167. die Speere surren!
- 168. An der Donau hört man Jaroslawnas Stimme, einem Kuckuck gleich klagt sie einsam früh am Morgen:
- 169. »Als Kuckuck will ich«, so ruft sie, »die Donau entlangfliegen,
- 170. meinen Ärmel aus Biberpelz will ich in die Fluten der Kajala tauchen
- 171. und dem Fürsten die blutigen Wunden netzen auf seinem mächtigen Körper.«
- 172. Es klagt Jaroslawna früh am Morgen zu Putiwl auf dem Wehrgang und spricht:
- 173. »O Wind, Brausewind! Weshalb, Gebieter, wehst du so ungestüm?
- 174. Weshalb treibst du auf deinen leichten Schwingen der Feinde Pfeile gegen meines Liebsten Krieger?
- 175. Genügte es dir nicht, unter den Wolken zu wehn, die Schiffe wiegend auf blauem Meer?
- 176. Weshalb, o Gebieter, hast du mein Fröhlichsein im Steppengras verweht?«
- 177. Es klagt Jaroslawna früh am Morgen zu Putiwl auf dem Wehrgang und spricht:
- 178. »O Dnepr, voll des Ruhmes! Du hast die steinernen Felsen des Polowzerlandes durchbrochen,
- 179. hast auf deinen Wogen wiegend die Kähne Swjatoslaws hin zum Heer des Kobjak getragen.
- 180. Trage nun wiegend, o Gebieter, meinen Liebsten mir herbei, auf daß ich ihm des Morgens früh nicht Tränen nachzusenden brauche hin ans Meer.«
- 181. Es klagt Jaroslawna früh am Morgen zu Putiwl auf dem Wehrgang und spricht:
- 182. »Helle, dreimal helle Sonne! Für alle scheinst du warm und schön;
- 183. weshalb, o Gebieterin, sandtest du deine sengenden Strahlen auf die Krieger meines Gatten? Weshalb hast du ihnen in wasserloser Steppe mit Durst die Bogen gekrümmt, hast du ihnen mit Kummer die Köcher verschlossen?«
- 184. Auf schäumt das Meer um Mitternacht: Wirbelstürme jagen in Nebelschwaden einher. Gott zeigt "Fürst Igor den Weg aus dem Polowzerland ins Russische Land, zu des Vaters goldenem Thron.
- 185. Die Abenddämmerung erlosch. Igor ruht, Igor wacht. Igor mißt in Gedanken die Steppe vom großen Don bis hin zum kleinen Donez.
- 186. Um Mitternacht pfeift Owlur jenseits des Flusses ein Pferd heran, er gibt dem Fürsten zu verstehen: Die Stunde des Aufbruchs ist für den Fürsten Igor gekommen!
- 187. Er rief, es dröhnte die Erde, es rauschte das Gras, die Zelte der Polowzer gerieten in Bewegung.
- 188. Fürst Igor aber jagte einem Hermelin gleich zum Röhricht und einer Schellente gleich aufs Wasser;
- 189. er schwang sich auf das feurige Roß, sprang von ihm als weißfüßiger Wolf herab,
- 190. jagte zu den Wiesenufern des Donez, zog einem Falken gleich unter den Wolken dahin, sich Gänse und Schwäne erlegend zum Frühstück, zum Mittagbrot und Abendmahl.
- 191. Während Igor als Falke die Lüfte durchmaß, trabte Owlur als Wolf dahin, abschüttelnd den feuchtkalten Tau; ihre feurigen Rosse aber hatten sie zuschanden geritten.
- 192. Der Donez sprach:
- 193. »Fürst Igor! Groß ist deine Herrlichkeit, groß ist Kontschaks Haß, groß ist die Freude des Russischen Landes.«
- 194. Und Igor erwiderte:
- 195. »O Donez! Groß ist deine Herrlichkeit, der du den Fürsten wiegtest auf deinen Wellen, ihm grünes Gras breitetest an deinen silbernen Gestaden, ihn einhülltest mit warmen Nebeln im Schatten grünender Bäume,
- 196. der du ihn behüten ließest durch deine Schellenten auf dem Wasser, durch deine Möwen auf den Fluten, durch deine Moorenten in den Lüften.«
- 197. Anders aber, so sagt er, ist der Stugna-fluß; mit kärglicher Strömung dahinfließend, verschlang er fremde Bäche und Boote, hielt sie fest im Buschgestrüpp, gab den Weg nicht frei dem jungen Fürsten Rostislaw hin zum Dnepr,
- 198. und es klagt am dunkelnden Ufer Rostislaws Mutter um den jungen Fürsten Rostislaw.
- 199. Vor Kummer welkten die Blumen dahin, und die Bäume neigten sich vor Gram zur Erde.
- 200. Es waren nicht Elstern, die da schwatzten: Den Spuren Igors folgt Gsak mit Kontschak.
- 201. Da hörten die Raben auf zu krächzen, die Dohlen verstummten, die Elstern ließen ihr Schwatzen sein,
- 202. nur die Schlangen krochen dahin. Die Spechte weisen mit ihrem Klopfen den Weg zum Fluß, die Nachtigallen verkünden mit freudigem Schlagen den nahenden Morgen.
- 203. Und es sagt Gsak zu Kontschak:
- 204. »Fliegt der alte Falke zum Nest, so erschießen wir den jungen mit unseren goldenen Pfeilen.«
- 205. Kontschak aber sagt zu Gsak:
- 206. »Fliegt der alte Falke zum Nest, so umgarnen wir den jungen mit einem schönen Mädchen.«
- 207. Und Gsak darauf zu Kontschak:
- 208. »Wenn wir ihn mit einem schönen Mädchen umgarnen, so bleibt uns weder der junge Falke noch das schöne Mädchen, und es werden uns die Vögel erneut in der Polowzersteppe bedrängen.«
- 209. So sagte Bojan, und laßt uns den Ausspruch des Sängers Swjatoslaws, der Zeit Jaroslaws; des Lieblings Olegs, nicht vergessen:
- 210. »Wenn es dir schwer ist, Haupt ohne Schultern, so ist es auch dir schwer, Leib ohne Haupt« – so auch dem Russischen Lande ohne Igor.
- 211. Hell strahlt die Sonne am Himmel – Fürst Igor ist wieder im Russischen Land.
- 212. Jungfrauen singen an der Donau – ihre Stimmen wehn über das Meer bis hin nach Kiew.
- 213. Igor reitet über den Boritschow zur heiligen Gottesmutter Pirogostscha.
- 214. Es jubeln die Länder, es jauchzen die Städte.
- 215. Sangen wir den alten Fürsten ein Lied, so laßt uns denn auch den jungen eins anstimmen:
- 216. »Ruhm Igor Swjatoslawisch, dem Wilden Ur Wsewolod und Wladimir Igorewitsch!«
- 217. Seid gegrüßt, ihr Fürsten und Mannen, die ihr für die Christenheit wider die heidnischen Scharen streitet!
- 218. Den Fürsten Ruhm und den Mannen! Amen.
Ссылка
Если вы используете корпус в научной работе, пожалуйста, сошлитесь на эту публикацию:
Орехов Б. В. Параллельный корпус переводов «Слова о полку Игореве»: итоги и перспективы // Национальный корпус русского языка: 2006—2008. Новые результаты и перспективы. — СПб.: Нестор-История, 2009. — С. 462—473.